Am Anfang war das Bild – Towards a Philosophy of Engineering
Oder wann wurde eigentlich aus der Ingenieurskunst eine Ingenieurwissenschaft?
Für Viele gilt häufig das Paradigma: Warum sollten wir etwas ändern, dass haben wir doch immer schon so gemacht. Diesem Phänomen begegne ich auch häufig in Entwicklungsprojekten, man will etwas anders machen, etwas anderes tun, aber man weiß nicht (mehr) wie. Im Bereich der technischen Entwicklungen und Innovation kann man das auf den Gegensatz zwischen inkrementell versus disruptiv runterbrechen.
Aber wann und wo kam die Fähigkeit etwas Neues zu tun, andere Wege zu beschreiten im technischen Bereich abhanden? Wann wurde aus der Ingenieurskunst die Ingenieurwissenschaft und schlußendlich das Ingenieurwesen? Das Wesen west ja bekanntlich.
Tatsächlich verändert sich mit der Zeit und dem Auftreten neuer Technologien und Kulturtechniken auch die Art und Weise, wie wir Dinge bauen und entwickeln. Während zur Zeit der Renaissance noch Künstler und Baumeister in einer Person vereint große Bauprojekte wie z.B. Kathedralen stemmten, bildete sich innerhalb der Industrialisierung das Berufsbild des modernen Ingenieurs ebenso wie das des modernen Künstlers heraus. Kunst und Technik waren keine Einheit mehr, sie fingen an sich voneinander wegzubewegen.
Im Zuge der Ausdifferenzierung der wissenschaftlichen Disziplinen gründeten sich im 19. Jahrhundert immer mehr Ingenieurs(hoch-)schulen. Die (Aus-)bildung und Praxis wurde immer mehr formalisiert und ausdifferenziert. Denn das rasante Tempo der technischen Entwicklungen brachte immer neue Technologien und technische Spezialgebiete und somit technische Berufe hervor. Gleichzeitig entfernten sich Planung und Konstruktion immer mehr von der Fertigung, die technische Entwicklung löste sich immer weiter von ihrer konkreten Umsetzung.
Die Künstler-Ingenieure und Universalgenies der Renaissance transformierten sich in der Moderne zu technokratischen Fachexperten – das Silo-Denken entstand. Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften und Künste bilden keine Einheit mehr, sondern zersplittertern immer mehr. Die Fähigkeit der Imagination – des geistigen Sehens – maßgeblich für die Kunst des Ingenieurs kam immer mehr abhanden. Der kreative Aspekt des Entwickeln und Entwerfens wurde im Zuge der modernen Naturwissenschaften immer mehr verkannt.
Die Folge: Konstruktionsfehler und Katastrophen.
Denn „Erfolgreiches Entwerfen setzt einen großen Vorrat von stillschweigendem Expertenwissen und eine auf Erfahrung beruhende „Intuition“ voraus; es braucht Ingenieure, die existierende technische Systeme genauso gründlich beherrschen wie ganz neue, eben erst entworfene.“ (Ferguson 1993: 165)