Macht ein MINT-Studium im Zeitalter von Ki überhaupt noch Sinn?
Vor kurzem erregte Matthew Candy, Global Managing Partner für generative KI bei IBM, mit der Aussage für Aufsehen, dass dank Ki niemand mehr einen Abschluss in Informatik brauche, um einen Job in der Tech-Branche zu bekommen. Laut Candy führe der Aufstieg von Ki dazu, dass Soft Skills wie kritisches und kreatives Denken in den Vordergrund treten. Denn Hinterfragen, Kreativität und Innovation werden enorm wichtig sein, weil er glaubt, dass KI mehr Kapazitäten für kreative Denkprozesse freisetzen wird.
Nun erschien ein Artikel in der FAZ mit dem reisserischen Titel „Nobelpreisträger warnt wegen KI vor MINT-Studium“. Christopher Pissarides, mit dem Nobelpreis ausgezeichneter Arbeitsökonom an der London School of Economics soll die junge Generation vor einem MINT-Studium (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) gewarnt haben. Zwar gebe es zur Zeit ein Wachtum in diesen Gebieten, aber dieses werde nicht nicht groß genug, um Arbeitsplätze für all die Absolventen zu schaffen, die aus dem MINT-Bereich kommen, meint Pissarides. Nach ihm werden vorraussichtlich langfristig Management-, Kreativ- und Empathiefähigkeiten, einschließlich Kommunikation, Kundendienst und Gesundheitswesen, weiterhin sehr gefragt sein, da sie durch Technologie, insbesondere KI, weniger ersetzbar sind.
Ich glaube nicht, dass wir zukünftig keine Techniker oder Programmierer mehr brauchen. Jedoch bin ich fest davon überzeugt, dass wir wieder mehr Kreativität in technischen Studiengängen vermitteln müssen. Genauso wie wir die Fähigkeit der Kreativität wieder wertschätzen sollten. In den USA gibt es schon seit über 10 Jahren den Trend nicht mehr nur STEM (Science, Technology, Engineering, Maths) – dem Äquivalent zu unserem MINT – zu vermitteln, sondern STEAM (Science, Technology, Engineering, Arts, Maths) zu lehren. Tatsächlich komme ich selbst aus so einem Bereich, der in Deutschland leider aber immer mehr abgebaut wurde, seit wir anfingen zwischen MINT und den Künsten im Bildungssystem so stark zu trennen.
Seit kurzem gibt es einen Studiengang in einer solchen Disziplin an einer Hochschule in Deutschland. An der Hochschule Augsburg kann man Creative Engineering studieren. Creative Engineering ist ein interdisziplinärer Studiengang von der Fakultät für Elektrotechnik und der Fakultät für Gestaltung ausgerichtet. Er verbindet Ingenieurwissenschaften und Design im Spannungsfeld von Mensch, Umwelt und Technik. Die Studierende sollen so befähigt werden technische Systeme ganzheitlich zu entwerfen und prototypisch umzusetzen.
Seit die Diskussion – Ki wird uns alle die Jobs rauben und die Kreativen werden die ersten sein – los ging, war ich mir sicher, es werden nicht die Kreativen sein, sondern die Unkreativen. Üblicherweise findet man nur Unkreative weniger in der Kreativ-Branche, sondern eben in anderen Branchen. Dies bedeutet, dass gerade dort auch kreative Fähigkeiten wieder mehr vermittelt werden müssen. Denn zukünftig geht es nicht mehr nur um das beständige Erlernen neuer Technologien, wie wir es schon von der Digitalisierung her kannten. Zukünftig geht es darum einen kreativen Umgang mit Technologien insbesondere Ki zu entwickeln.